Rumäniengroßfahrt 2019

geschrieben von Stufenleitung am 12. November 2019

  1. “Passport control – passport please!” – Ein Satz den man auf unseren Fahrten und Lagern sicher nicht gewohnt ist. Es war schließlich auch eine ganz besondere Reise, die wir uns vorgenommen hatten. Für viele war es das letzte Lager in der alten Wölflings-Konstellation. Mit dem Zug sollte es nach Rumänien gehen, um dort Natur, Land, Leute und die rumänischen Lupisor (Wölflinge) kennenzulernen.

Freitag: Packen

In allergrößter Vorfreude trafen wir uns bereits am Freitagabend, um in aller “Ruhe” die Rucksäcke zu packen. Es galt, viel Gemeinschaftsgepäck unterzukriegen. Jedes Kind musste eine Kohtenbahn, Essen für die 30-stündige Zugfahrt und entweder eine Wolldecke oder einen Hordentopf nehmen. Das war auch schon unser Tagewerk, denn am nächsten Morgen hieß es sehr früh aufstehen.

Samstag: Anreise

In begründetem Misstrauen der Deutschen Bahn gegenüber, haben wir gute Umsteigezeiten mit viel Puffer gewählt, daher begann unsere Reise um kurz nach sieben mit dem kurzen Fußweg zum Wiehrebahnhof. Von dort aus wollten wir gute 2000km auf Schienen in Richtung Osten rollen.

Kaum im Zug, mussten wir am Hauptbahnhof auch schon umsteigen und das hat auch, selbst mit dem ganzen Gepäck, gut geklappt. Im ICE haben wir es uns in unseren beiden Abteilen bequem gemacht und beim gemeinsamen Gesang den Sonnenaufgang genossen.

In Karlsruhe stiegen wir das zweite mal um und es sei jetzt schon verraten, dass ausnahmslos alle weiteren Züge bis Fahrtenende Verspätung hatten. Im Intercity nach Nürnberg hatten wir zwei Tische im oberen Stockwerk. Wir spielten Kartenspiele und aßen zu Mittag. Da haben wir auch das erste mal auf die Uhr geschaut und festgestellt, das die Zeit wirklich schnell vergeht.

In Nürnberg kamen wir verspätet an, aber haben unseren Anschluss (auch verspätet) ohne Mühe bekommen. Im ICE nach Wien bereiteten wir uns mit einem Quiz etwas auf Rumänien vor. In Wien hatten wir drei Stunden Aufenthalt zum Essen und Spielen in der nahegelegenen Parkanlage. Entgegen mancher Vermutungen handelte es sich natürlich um eine grüne Wiese und nicht um eine Parkfläche für Autos… Zurück am Bahnhof hat sich dann das erste mal gezeigt, wie flexibel, offen und harmonisch unsere Fahrtengruppe war. Leider gab es unsere Reservierten Betten im Nachtzug nicht, stattdessen einen Ersatzzug nach Budapest, wo wir dann in unseren Nachtzug umsteigen konnten. Dieses kleine Ärgernis konnte rasch mit einer nussigen Wiener Trinkschokolade heruntergeschluckt werden. Wir hatten also mit dieser harmonischen Gruppe eine verlässliche Konstante, auf die wir uns verlassen konnten. Als wir uns in den Schlafabteilen eingerichtet hatten, schauten wir noch etwas aus dem geöffneten Fenster und schliefen bald ein. Die Grenzkontrollen in der Nacht haben wir unkompliziert passieren können.

Sonntag: Anreise und Ankunft

Gegen Vormittag war es dann endlich Zeit für unseren nächsten Umstieg in Medias. Wir setzten uns ins Grüne vor dem Bahnhof und frühstückten. Außerdem mussten wir noch Tickets für den Regionalzug nach Sibiu kaufen, um einen Reisetag auf unseren Interrailtickets zu sparen.

Die letzten beiden Stunden unserer Anreise waren bestimmt die spannendsten. Der Zug war schon etwas älter und hatte zahlreiche zersprungene Fensterscheiben. Außerdem fuhr er mit offenen Türen und das ein echtes Abenteuer, wenn man (gesichert) während der Fahrt aus der Tür schauen kann.

In Sibiu trafen wir uns mit Stefi. Sie ist Pfadfinderin in Sibiu und hat uns während unseres Aufenthaltes begleitet und unterstützt. Zunächst sind wir zusammen in Richtung Stadtmitte gelaufen, um bei “Supermama” zu essen. Auf dem Weg dahin bekamen wir einen ersten Eindruck von der schönen mittelalterlichen Stadt. Besonders die Dächer sind sehr charakteristisch. Mit ihren kleinen Fenstern im Dach scheint es, als hätten die Häuser Augen und die Stadt könne einen auf Schritt und Tritt beobachten. Neben den Häusern, haben wir auch einen strategisch günstigen Supermarkt ausgemacht und ihn “Profi Bruder” getauft.

Nach dem Essen sind wir zurück zum Bahnhof gelaufen und haben uns entschlossen mit dem Taxi die letzten 35 Kilometer mit dem Taxi zu fahren, da der nächste Bus erst spät am Abend gefahren wäre. Wie ein Blitz schossen wir, verteil auf drei Taxen, durch die schöne Landschaft und hatten dabei einen herrlichen Blick auf die Karpaten. Im Pfadfinderzentrum in Nocrich, lernten wir die Freiwilligen Pfadfinder kennen, die aus aller Welt für ein Jahr ihre freiwillige Arbeit in Rumänien leisteten, bezogen im Anschluss unser Zimmer und waren nach Abend-Snack, Nachtspaziergang im Dorf und obligatorischer Werwolfjagd glücklich über eine erholsame Nacht.

Montag: Stadtbesichtigung Sibiu

Am nächsten Morgen sind wir nach dem Frühstück am Vormittag mit dem Bus nach Sibiu gefahren, um uns die Stadt näher anzuschauen. Auf dem großen Platz haben wir uns mit Stefi getroffen und sind als erstes auf den Turm gestiegen. Bereits auf dem Weg nach oben gab es in einer kleinen Kunstausstellung viel Sehenswertes und Bene hat sich sogar entschlossen, eine von Hand gestaltete Uhr, gefertigt aus einer alten Schallplatte, zu kaufen. Oben angekommen, konnte sich das Auge an einem weiten Stadtpanorama erfreuen. Und die Stadt schaute zurück mit ihren vielen Augen in den Häuserdächern.

Nach einiger weiterer Bummelei, setzten wir uns mit leckeren gefüllten Teigtaschen (“Gogoși”) vor die Stadtmauer auf die Wiese und haben die Sonne genossen. Danach mussten wir für die nächsten Tage einkaufen und fuhren dann im Anschluss mit dem Bus zurück nach Nocrich. Dort bauten wir unsere zwei Kohten auf und saßen im Anschluss am Lagerfeuer und haben gemeinsam gesungen und lernten dabei zwei Rumänische Pfadfinderlieder kennen. Diese Nacht schliefen wir draußen in den Kohten.

Dienstag: Nocrich

An diesem Tag blieben wir in Nocrich, um unsere Umgebung näher kennenzulernen. Gegen Mittag öffnete der Pfadfinderladen, in dem die Nocrich-Pfadfinder unter anderem ihr selbstgetöpfertes Geschirr und Schmuck verkauften. Dann trafen wir uns mit dem Geschichtslehrer des Dorfes vor der evangelischen Dorfkirche. Mit Übersetzung lernten wir die Geschichte der Siebenbürger Sachsen in der Gemeinde Nocrich kennen. Die Kirche war seit über zehn Jahren, nachdem der letzte Pfarrer aus gesundheitlichen Gründen nach Deutschland musste, in der Obhut der Pfadfinder. Jeden Tag müssen die Gewichte der Uhr hochgezogen werden und nach einigen Tag muss die Uhr nachgestellt werden. Wir durften auf den Kirchturm und uns die Funktion der Uhr und der Glocken genau anschauen.

Nach einer Mittagspause machten wir uns im Regen gemeinsam auf den Weg, einen village-quest zu lösen. Wir statteten u.a. der Ortodoxen Kirche und einigen Pferdefuhrwerken einen Besuch ab und erfragten mit Hand und Fuß sogar deren Namen. Am Abend schauten wir einen Film und ein Sicherheitsvideo einer Australischen Metro. So hatten wir für den kommenden Tag eine gute Vorbereitung, denn da mussten wir über die Bahngleise laufen (Die Bahnhöfe sind teilweise nicht als solche zu erkennen gewesen). Abends kochte die Hexe ihre zwei Tränke und auch die Dorfmatratze fand ihren Platz.

Mittwoch: Wanderung bei Turnu Rosu

Wie schon gewohnt, fuhren wir mit dem Bus um 10:40 nach Sibiu (die Busfahrerin kannte uns schon und druckte direkt wissend unsere anderthalb Meter Busfahrkarten aus). In Sibiu stiegen wir in den “Zug” nach Podu Olt. Von dort aus startete unsere Tageswanderung in den Karpaten. Leider war es kalt und nebelig, sodass wir von den schönen Bergen nichts sehen konnten. Nichtsdestotrotz hatten wir eine gute Wanderung. Im Wald stießen wir auf eine kleine Kapelle, bei der wir Mittagspause machten. Was könnte an Halloween passender sein, als bei grauem Nebelwetter in Transsilvanien zu sein? Auf dem Rückweg, fanden wir in Turnu Rosu eine Einkehrmöglichkeit, wo wir Schokolade und Chips bestellten. Getrunken haben wir dann irgendwas weißes warmes vanilliges, vielleicht Molke mit Zucker und Aroma??

Mit Einbruch der Dämmerung machten wir uns auf die erfolgreiche Suche nach dem “Bahnhof”. In der nähe lag ein großer Spielplatz mit einer Burg, Kletternetz, Schaukeln, Trampolin usw., der sicherlich für einen der schönsten Momente der Fahrt verantwortlich war. Auch nach der Wanderung war noch genug Energie für wildes Toben da. Rechtzeitig gingen wir dann zu dem Ort, wo wir die Abfahrt unseres Zuges vermuteten. Vom Bahnhofsgebäude gingen wir im Stockdunklen durch hohes Gras zu den bröckeligen Betonplatten, die ihren Dienst als Bahnsteig taten. Irgendwann (natürlich zu spät, siehe Anfang des Berichts) kam unser Zug. Drinnen setzten wir uns zu elft in ein Sechserabteil und spielten “Wahrheit, Pflicht oder Zitrone”.

Zurück in Nocrich wurde unsere Gruppe noch etwas größer, als Anna zu uns gestoßen ist. Anna ist eine Freundin von Smilla und kommt aus Brasov (Kronstadt) und blieb bei uns bis Freitag. Sie hat uns leckeres rumänisches Essen mitgebracht, z.B. Puffreis (gut geeignet bei Werwolf) und Schweineschmalz aus nachbarschaftlicher Produktion.

Donnerstag: Schwimmbad

Vor zwei Jahren waren die Pfadis schon einmal in Rumänien. Von Cisnadioara aus, sind wir auch nach Sibiu gefahren und waren im Volksbad. Das ist ein schönes altes Gebäude und sieht innen dem Marienbadtheater ähnlich. Leider war das Bad diesen Sommer wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Daher sind wir in ein anderes Bad gegangen, für das uns Stefi Eintrittskarten besorgt hatte. Wir waren wirklich überrascht, was sich hinter einem von außen so unscheinbaren Gebäude verbergen kann! Wir haben die Zeit gut genießen können.

Nach dem Baden haben wir wieder die leckeren Gogoși gegessen und sind zum Einkaufsbummel durch ein paar Marktstände und weitere Läden geschländert. Nachdem wir noch zur Post (sehenswert!) gegangen sind, hatte jeder irgendein Mitbringsel für Geschwister und Familie gefunden.

Freitag: Lupisor und Abschied

Am letzten Tag in Rumänien hatten wir noch eine große Freude zum Abschied. Nachdem wir aufgeräumt, die Kohten abgebaut und das Gepäck gerichtet hatten, kam eine ganze Horde rumänischer Wölflinge (Lupisor) zu Besuch. Zwei Jungs konnten sogar ihre Halstücher tauschen. Von Anna verabschiedeten wir uns an der Bushaltestelle und letztmalig ging es mit dem Bus nach Sibiu. Von dort ging es wieder auf dem Schienenweg in Richtung Westen.

Samstag: Rückreise

Zu unsere außerordentlichen Freude, wurden wir um kurz nach sechs morgens vom Schaffner geweckt, der uns gelassen mitteilte, das unser Nachtzug nicht planmäßig nach Wien fährt, sondern in drei Minuten in Budapest endet. Dort sollten wir dann in zehn Minuten auf Gleis vier weiterfahren. Ich möchte so viel verraten: Der Wohlfühlfaktor ist gering, wenn man sich in drei Minuten anziehen, Gepäck packen und zu einem anderen Gleis rennen muss, morgens, um kurz nach sechs, verschlafen… Auf dem Weg nach draußen haben wir noch unsern Rumänischen Abteilnachbarn Bescheid gegeben, da diese nicht informiert wurden. Draußen stellte sich heraus, dass die Gleisangabe vom Schaffner ebenso Blödsinn war wie die Abfahrtszeit unseres Ersatzzuges. Wir hatten noch fast eine Stunde, bis unser Zug abfahren sollte. Da unser Anschluss in Wien damit Geschichte war, mussten wir zunächst Reservierungen buchen. Selbstverständlich waren auch alle weiteren Züge verspätet, aber wir sind zumindest bis Karlsruhe gemütlich und wie geplant unterwegs gewesen.

Im Intercity zwischen München und Karlsruhe haben wir eine nette Schweizer Pfadfinderfamilie getroffen. Die sind früh morgens aus der Schweiz nach Bayern gefahren um einen Hund abzuholen und waren nun auf dem Rückweg, auch über Karlsruhe. Wir haben uns über lustige und prägende Erlebnisse bei den Pfadfindern ausgetauscht und ziemlich viele Gemeinsamkeiten festgestellt.

Es war mal wieder die Deutsche Bahn, die es zum Schluss der Reise mit dem Überraschungsfaktor einer Großfahrt sehr gut gemeint hat. Nachdem wir das Stündchen Verspätung unseres letzten ICE Müsliriegel-Essend am Bahnsteig gesessen hatten, fuhr der ICE doch eine Viertelstunde früher als angekündigt ein. Außerdem hatte die Bahn extra angekündigt, dass der ICE extra richtigherum gereiht einfährt, natürlich war er dann in Wirklichkeit doch falsch herum. So kam eine Hälfte der Gruppe nach einem 300m-Sprint am richtigen Wagen an. Die zweite Hälfte folgte, nachdem Bene ins Gleisbett hopste, um die verlorene Trinkflasche wiederzuholen. Im Zug sangen wir bis Freiburg im Abteil ein freudiges Lied: “Die Deutsche Bahn, ja die kann nicht mehr, warum steh´n wir denn immer nur am Gleis herum? Man dreht sich bei der Deutschen Bahn die Nerven um. Wenn´s nur mal schneller wär´, so langsam geht´s nicht mehr! Wenn nur der ICE auch einmal pünktlich wär´! Rulla-rulla-rulla-rulla… usw.

Zurück am Pfadiheim haben wir glücklich ein außergewöhnliches Lager beendet.

Teilgenommen haben Smilla M., Stella F., Augustin B., Rosa F., Freyja L., Lukas L. und Kim P.

Hier noch einige weitere Eindrücke:

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